Die norwegische Sprache (Eigenbezeichnung: norsk gehört zum nordgermanischen Zweig der indogermanischen Sprachen. Norwegisch
wird von etwa 5 Millionen Norwegern als Muttersprache gesprochen, von denen der größte Teil in Norwegen lebt, wo es Amtssprache ist.
Norwegisch wurde in vier Formen standardisiert, von denen heute zwei einen offiziellen Status haben:
Bokmål/Riksmål, oft in fehlerhafter Vereinfachung Norsk ("Norwegisch") genannt, wird von rund 85 bis 90 Prozent der norwegischen Bevölkerung geschrieben
und ist linguistisch gesehen keine urspröngliche Einzelsprache, sondern ein teilweise norwegisiertes Dänisch und somit eine Tochtersprache desselben. Riksmål
ist eine nicht-offizielle Variante, die dem moderaten Bokmål ähnlich ist - es ist der dänisch-norwegischen literarischen Tradition verpflichtet und daher zum
Teil weniger "norwegisiert".
Nynorsk hingegen hat mehr Gemeinsamkeiten mit den westskandinavischen Sprachen Färöisch und Isländisch als Bokmål, Dänisch und Schwedisch. Es wird
von rund 10 bis 15 Prozent der norwegischen Bevölkerung geschrieben. Trotz der Vorsilbe Ny- ("Neu") ist Nynorsk ("Neu-Norwegisch") nicht die jüngere, sondern
die ältere der offiziellen norwegischen Sprachvarianten.
Høgnorsk schließlich wird nur in sehr kleinen Kreisen gepflegt.
Die beiden Varianten Bokmål und Nynorsk haben darüber hinaus viele Elemente, die sie mit dem Schwedischen teilen. Norweger, Dänen und Schweden verstehen sich daher
gegenseitig relativ gut, wobei Norweger die beiden anderen Völker sprachlich besser verstehen als Dänen und Schweden sich untereinander. Auch haben Norweger bessere
Voraussetzungen, Färöisch oder Isländisch zu erlernen.
In Norwegen gab es immer eine Vielzahl verschiedener Dialekte. Wegen der komplizierten Topographie mit vielen Gebirgen, Tälern und schlechten Verkehrswegen über Land konnten sich
die Dialekte vergleichsweise isoliert und unabhängig voneinander entwickeln - auch wenn die Abstände zwischen zwei Orten oft nur relativ gering waren.
Aus diesem Grunde, aber auch wegen der dänischen Vorherrschaft (mit Dänisch als Amtssprache) über Jahrhunderte hinweg, konnte sich nie eine einheitliche Aussprache etablieren,
die dem streng geregelten Hochdeutschen vergleichbar wäre. Das macht heutzutage in Norwegen die Verständigung nicht unbedingt einfacher, gibt dem Norwegisch Lernenden aber auch eine
gewisse Freiheit bei seiner Aussprache, da das norwegische Ohr gewisse Schwankungsbreiten gewöhnt ist.
Der Ursprung der norwegischen Sprache liegt im Altnordischen, das dem Isländischen sehr ähnlich ist. In der Hansezeit war Mittelniederdeutsch (Plattdeutsch) die Verkehrssprache des
Nordens. Viele niederdeutsche Wörter wurden als Fremdwörter und Lehnwörter integriert. Von 1380 bis 1814 war Norwegen mit Dänemark vereinigt (dänisch-norwegische Personalunion),
anfangs noch als Personalunion, später als Realunion. Während dieser Zeit wurde die alte norwegische Schriftsprache immer schwächer und 1450 offiziell durch das Dänische ersetzt.
Die ursprünglichen Dialekte wurden aber auf dem Lande weiterhin gesprochen. Nach der Trennung von Dänemark im Jahre 1814 entstand im Laufe des 19. Jahrhunderts wie in anderen jungen Staaten
Europas eine national-romantische Welle, die hauptsächlich an die norwegische Vergangenheit des Mittelalters (also vor der Vereinigung mit Dänemark) anknöpfen wollte. Dies betraf auch die
Sprache: Die Anhänger dieser Bewegung forderten, dass zum Zeichen der Emanzipation Norwegens die ursprüngliche norwegische Sprache des Mittelalters wieder zum Leben erweckt werden solle.
Schließlich wurde in den 1850er Jahren von dem Dichter und Sprachwissenschaftler Ivar Aasen das Landsmål entwickelt, das seit 1929 offiziell Nynorsk heißt. Das Ziel war ausdrücklich,
dem (Dialekt sprechenden) Volk seine eigene Schriftsprache zu geben, die neben die dänische Schriftsprache der bürgerlich-städtischen Oberschicht treten sollte; Nynorsk wurde damit zu einem
zentralen Element der Demokratiebewegung. Seit 1885 ist Landsmål/Nynorsk eine offiziell anerkannte Schriftsprache. Die Grundlage für diese neue Sprache bildete nicht eine einzige Mundart, sondern
ein gemeinsames System, das Aasen durch die wissenschaftlige Erforschung aller Mundarten gefunden hatte. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde Nynorsk im Rahmen mehrerer Reformen verstärkt dem ostnorwegisch
geprägten Bokmål angenähert. Von einer Plansprache unterscheidet sich Nynorsk durch seine Verankerung in engverwandten, lebendigen Dialekten.
Der Gymnasiallehrer Knud Knudsen trat zur gleichen Zeit für eine durchgreifende Sprachreform auf der Grundlage einer von ihm angenommenen "Umgangssprache der Gebildeten". Seine Reformvorschläge wurden
in der Rechtschreibreform von 1862 weitestgehend vom Parlament übernommen und bildeten die Grundlage des Riksmål, das 1929 vom Parlament in Bokmål umbenannt wurde und sich später auf
Grund von Kontroversen über die Normierung in Bokmål und Riksmål mit je eigenen Normen und Traditionen aufteilte.
So manifestierte sich die norwegische Sprache in zwei Varietäten:
Seit 1929 heißt Riksml offiziell Bokmål, und Landsmål wird als Nynorsk bezeichnet.
Die sogenannte Samnorsk-Bewegung beansprucht weiterhin den Namen Samnorsk für eine inoffizielle, gemein-norwegische Sprachform.
Aufgrund des erstarkten Nationalbewusstseins konnte Nynorsk bis 1944 immer mehr Anhänger gewinnen und hatte seinerzeit knapp ein Drittel der Norweger auf seiner Seite. Inzwischen ist deren Anteil
bevölkerungsmäßig auf etwa 10-15 Prozent zurückgegangen. Dies hat mehrere Gründe: In den urbanen Gebieten, also vor allem in der Region Oslo, wird Nynorsk als befremdlich empfunden.
Das städtische Bürgertum hat das auf ländlichen Mundarten basierende Nynorsk ohnehin stets abgelehnt. Folglich fehlt dem Nynorsk bis heute eine wirkliche Verankerung in den wirtschaftlichen
und politischen Zentren. Zum anderen wird von manchen Landbewohnern besonders Ostnorwegens Nynorsk eher als Kunstprodukt angesehen, da es eben nur so etwas wie ein kleinster gemeinsamer Nenner der Dialekte
ist. Und schließlich ist die Grammatik des Nynorsk schwieriger als die des Bokmål. Trotzdem muss gesagt werden, dass dennoch die meisten norwegischen Dialekte dem Nynorsk näher stehen als
dem Bokmål, welches einige dem autochthonen Norwegisch ziemlich fremde phonologische, morphologische und sonstige grammatische Züge aufweist.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden mehrere Rechtschreibreformen durchgeführt, mit dem Versuch, beide Schriftsprachen einander anzunähern. So wurde in der Reform von 1917 auf Druck der Nynorsk-Bewegung
eine Reihe spezifisch "norwegischer" Ausdrücke propagiert, die traditionelle dänische Begriffe ersetzen sollten. Da dies nicht in dem Maße geschah, wie man es sich vorgestellt hatte, wurde 1938
eine weitere Reform verabschiedet: Zahlreiche traditionelle dänische Elemente durften nicht mehr gebraucht werden. Diese Sprache wurde aber kaum angenommen. Es kam zu großen Streitigkeiten, Eltern korrigierten
beispielsweise die Schulbücher ihrer Kinder, weil der Konflikt sehr stark von Gefühlen geprägt war und auch nach wie vor ist. Gleichzeitig wurde auch Nynorsk verstärkt sprachgeschichtlich
jüngeren Formen geöffnet. 1959, 1981 und 2005 fanden weitere Reformen statt, deren letzte auch wieder eine Reihe traditionell dänischer Formen zuließ. Ergebnis ist die Existenz von "moderaten"
und "radikalen" Formen in der Rechtschreibnorm, zwischen denen man wählen kann, wobei beide Sprachen offiziell unterrichtet werden.
Seitens des Staates sind die beiden Sprachformen Bokmål und Nynorsk offiziell anerkannt. Gemäß Sprachengesetz darf keine staatliche Behörde eine der beiden zu mehr als 75 % gebrauchen,
was in der Praxis allerdings - zu Ungunsten von Nynorsk - oft nicht befolgt wird. Die Behörden des Staates und der Fylke(Regierungsbezirke) müssen Anfragen in der gleichen Sprachform beantworten,
in der sie gestellt werden. Auf der Ebene der Gemeinden (Kommunen) darf die Behörde in derjenigen Sprachform antworten, die sie für ihr Territorium als amtlich erklärt hat.
Nynorsk ist Amtssprache von 27 % der Gemeinden, in denen insgesamt 12 % der Gesamtbevölkerung leben; die übrigen Gemeinden haben rund je hälftig Bokmål als Amtssprache oder aber sind sog.
"sprachneutral" (was faktisch zumeist mit Bokmål-Gebrauch gleichzusetzen ist). Auf der Ebene der Schulkreise und Kirchengemeinden geht der amtliche Gebrauch des Nynorsk ein wenig über dieses Gebiet
hinaus; so haben auf Grundschulstufe 15 % aller Schüler und Schülerinnen Nynorsk als Schulsprache, und in 31 % der Kirchengemeinden sind Liturgie und Predigt auf Nynorsk. Geographisch gesehen ist
Nynorsk offizielle Sprachform in den meisten Gemeinden des fjordreichen Westnorwegens (ohne die Städte und stadtnahen Gemeinden) sowie in den geographisch anschließenden zentralen Gebirgstälern
Ostnorwegens (Hallingdal, Valdres, Gudbrandsdal) und Südnorwegens (Setesdal, Vest-Telemark). Überdies ist Nynorsk Amtssprache von drei Fylke, nämlich Hordaland, Sogn og Fjordane und Møre og Romsdal,
Bokmål ist Amtssprache in zwei Fylke, nämlich Vestfold und Østfold; die andern vierzehn Fylke sind "sprachneutral". Von diesen sprachneutralen Fylke weisen Oppland, Telemark und Rogaland allerdings
einen relativ großen Anteil an Nynorsk-Gemeinden auf.
Das Sprachabkommen im Nordischen Rat garantiert zudem, dass Dänisch und Schwedisch im offiziellen Schriftverkehr erlaubt sind. Das gilt gegenseitig.